Energiespeicherung ist maßgeblich für die Energiewende – fünf Ansätze im Überblick

In dieser Mine in Argentinien wird Lithium abgebaut, wodurch die Natur stark beeinflusst wird. © Can Stock Photo / xura

Teure und ineffiziente Speichertechnologien verhindern Energiewende

Christoph Keese, Quelle: Pioneer Editor, 21.12.2022

Sturm peitscht über die Nordsee, die Windräder laufen auf Hochtouren und versorgen das deutsche Stromnetz mit Energie. Nur leider ist es mitten in der Nacht, das Land liegt im Dunkeln, die Maschinen stehen und diesaubere Energie kann gerade nicht verbraucht werden. Die Windkraftwerke müssen vom Netz genommen werden. Denn, um die Stabilität des Netzessicherzustellen, muss immer genau so viel Strom eingespeist werden, wie nachgefragt wird. Eigentlich eine triviale Tatsache, der aber viel politische Brisanz innewohnt: Ein Stromnetz funktioniert in Echtzeit. Es kommt hinten das hinaus, was vorne hineingesteckt wird.

Geheimnisvolle Zwischenspeicher gibt es nicht. Dank der Spannung im Netz verkehrt Strom mit Lichtgeschwindigkeit und durchmisst ein Land wie Deutschland in Sekundenschnelle.

Bleiben wir kurz an der Nordseeküste. Im Morgengrauen wendet sich das Bild: Ein windstiller, trüber Tag bricht an. Das Land erwacht und fährt seinen Energiebedarf hoch, doch weder Sonnen- noch Windenergie liefern den nötigen Strom. Die Dunkelflaute – so sagen Fachleute – zwingt die Netzbetreiber dazu, eine Portion Gas- und Kohlestrom beizumischen. Jeden Morgen aufs Neue wird es mehr zur Gewissheit: Grüne Energie lässt sich schlecht planen.
Nachts und bei schlechtem Wetter fehlt schlicht die Sonne. Verschärfend kommt hinzu: Richtig düst der Wind meist nur im Norden. Wenn es im Norden stürmt, weht im Süden ein leichtes Lüftchen.

Niemand spürt das schärfer als die Industrie im Süden des Landes. Sie braucht den Strom vor Ort und schaut zähneknirschend dabei zu, wie die dringend benötigten Stromtrassen in der Planung stecken bleiben oder in Gerichtsverfahren zermahlen werden. Auf Dauer zehrt das an den Kräften und treibt selbst die heitersten Gemüter in die Frustration. Wollen wir das ändern? Ja, wir müssen es. Doch wie stellen wir das an? Fest steht: Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, müssen wir lernen, Strom in großem Maßstab im Netz zu speichern.

Holger Wolfschmidt, der Head of Solution Development bei Siemens Energy, sagt:
«Speichertechnologien sind das Schweizer Messer der Energiewende. Wie sehen diese Speicherlösungen aus? Wir haben fünf aussichtsreiche Speichermöglichkeiten untersucht, die schon möglich sind oder es bald werden. Davon sind fünf Lösungen vielversprechend:

1. Batterien: Lithium vs. Natrium
Für die meisten kurz- und mittelfristigen Speicher im deutschen Stromnetz werden Lithium-Ionen-Batterien genutzt. Denn diese Batterien sind leistungsfähig und verfügen über eine hohe Energiedichte, daher benötigen sie nur wenig Platz.
Leider sind Lithium-Ionen-Batterien in der Produktion sehr umweltschädlich. In Südamerika wird Lithium abgebaut, indem eine salzhaltige Sole an die Oberfläche der Mine gepumpt wird. Das überschüssige Wasser verdunstet und die Rückstände werden weiterverarbeitet. Diese Methode trocknet das Gebiet großflächig aus und führt unweigerlich zum Absenken des Grundwasserspiegels.

Es gibt allerdings Alternativen zu Lithium-Ionen-Batterien. Holger Wolfschmidt:
Es gibt andere Elemente, die man auch einsetzen könnte. Im Periodensystem der Elemente sieht man, was sich rund um Lithium tummelt: Natrium, Magnesium und andere Elemente.
Eine Alternative wären Natrium-Ionen-Batterien. Diese Batterien laden schnell und halten über 1000 Ladezyklen aus. Überdies ist Natrium günstiger als Lithium. Batterien dieses Typs benötigen auch kein Kobalt. Kobalt-Minenstehen zu Recht in der Kritik, weil der Rohstoff oft unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut wird. Ohne den energieintensiven Bergbau, den man für Lithium und Kobalt betreiben muss, würden auch die CO₂-Emissionen für Batterien beträchtlich sinken.
Warum werden dann nicht nur Natrium-Akkus produziert? Dafür gibt es einen physikalischen Grund: Die Energiedichte von Natrium-Akkus liegt niedriger als bei Lithium-Akkus. Das bedeutet: Aus gleich schweren Batterien der unterschiedlichen Typen wird unterschiedlich viel Energie gesaugt. Holger Wolfschmidt sieht daher Lithium-Ionen-Batterien auch für die kommenden Jahre als effizienteste Lösung an:
Es ist nett, wenn Alternativen zu Lithium funktionieren, aber es muss sowohl technologisch gut funktionieren, auch als auch kommerziell umsetzbar sein. Lithium ist in den letzten Jahrzehnten erfolgreich gemacht worden, in der Kommerzialisierung und im technischen Voranbringen, und somit meilenweit voraus.

2. Recycling: Second-Life-Akkus
Auch wenn Lithium und Natrium sehr häufig auf der Erde vorkommen, so sind sie dennoch nicht in unendlichen Mengen abbaubar. Deshalb wird es immer wichtiger, die Rohstoffe aus ausgemusterten Batterien wiederzuverwerten.

Batterie-Recycling in Europa: Bisher wenig geschehen

Geplante und existierende Recycling-Projekte von Lithium-Ionen Batterien, Betreiber und Kapazität, in Tonnen pro Jahr

Nach acht bis zehn Jahren im Einsatz werden Batterien aus Elektroautos zu schwach, um noch weiter gute Dienste zu leisten. Die gute Nachricht ist: Batterien können ein Leben nach dem Tod führen. Ihnen winkt ein „After Life“ unter neuen Bedingungen. Ein Zweitleben, bevor die Batterien für ihre Rohstoffe ausgeschlachtet werden. Autohersteller sprechen von Second-Life-Batterien oder auch vom Seniorenheim für Autoakkus. Vorgelebt wird diese Form der Zweitverwertung in einer Initiative von Audi und der Energie Baden-Württemberg.
Auf dem Gelände eines EnBW-Kraftwerks in Heilbronn werden alte Akkus zusammengeschlossen. Zwölf Container, gefüllt mit alten Akkus, bringen es auf eine Leistung von einem Megawatt. Diese Leistung reicht, um für kurze Zeit einige hundert Haushalte mit Strom zu versorgen. Laut McKinseykönnten aufbereitete E-Auto-Akkus bis zum Jahr 2030 rund 60 Prozent des dringend benötigten Stromspeicherbedarfs in Deutschland decken.

3. Schwarmbatterie: E-Auto
Elektroautos stehen – wie auch Verbrenner – den größten Teil des Tages und meistens die ganze Nacht ungenutzt auf dem Parkplatz herum. In dieser Zeit tun sie schlicht gar nichts. Das muss nicht sein. Die Batterien unter der Motorhaube könnten als Schwarmbatterie für das öffentliche Stromnetz dienen. Fachleute sprechen vom Vehicle-to-Grid. Mit diesem Konzept ist gemeint, dass Autos nicht nur Strom aus dem Netz ziehen, sondern bidirektionales Laden zulassen. Aktuelle Modelle wie der Porsche Taycan, Lucid Air oder Ford Mustang Mach-E beherrschen diese Technik bereits.
Die kleine Schwester von Vehicle-to-Grid ist Vehicle-to-Home. Davon spricht man, wenn das Auto an das Stromnetz des Haushalts angeschlossen ist. Das Auto lässt sich etwa dann laden, wenn die Photovoltaik-AnlageStrom im Überfluss produziert. Umgekehrt kann das E-Auto Strom abgeben, wenn er im Haus benötigt wird.
Für Vehicle-to-Grid gibt es aber noch einige Hürden zu bewältigen: Die E-Autos müssen als rollende Kraftwerke von den Netzbetreibern zugelassen werden. Das bedeutet, dass sie in der Lage sein müssen, innerhalb von Millisekunden von Be- auf Entladen umzustellen. Nur so kann dieNetzfrequenz von 50 Hertz gesichert werden. Holger Wolfschmidt:
Es braucht sicherlich noch ein paar Runden der Forschung und Entwicklung und die richtige Infrastruktur, um das Netz zu stabilisieren.

4. Wasserkraft: Pumpspeicherkraftwerke
Das Prinzip ist einfach: Mit überschüssigem Strom wird Wasser in ein Staubecken in den Bergen gepumpt. Wenn wieder mehr Strom benötigt wird, wird das Wasser über Turbinen abgelassen und so neuer Strom produziert.
Der Nachteil: Man braucht dazu Berge oder zumindest einen ordentlichen Höhenunterschied – schwierig in den meisten Teilen Deutschlands. Infolgedessen muss der Strom über weite Strecken transportiert werden. Das führt zu Energieverlusten und verringert den Wirkungsgrad. Im Süden sinnvoll, im Norden weniger.

5. Wärmespeicher
Eine Infografik mit dem Titel: Bescheidener Fortschritt bei Wärme und Verkehr
Anteil der erneuerbaren Energien in den Sektoren Strom, Wärme und Verkehr seit 1990, in Prozent
Der Energiebedarf für Wärme macht etwa 50 Prozent des Gesamtmarktes für Energie aus. Wenn dieser weltweit bis 2050 auf erneuerbare Energien umgestellt werden soll, müssen 70 Prozent dieses Marktes, die aktuell noch mit fossilen Brennstoffen bedient werden, umgewandelt werden. Holger Wolfschmidt:
70 Prozent der Wärme wird heutzutage immer über fossile Kraftstoffe erzeugt wie Kohle, Öl und Gas. 28 Prozent des CO2 Ausstoßes weltweit kommen aus industrieller Wärme.
Das Startup Kraftblock stellte beim Pioneers for Future Event Ende November auf der Pioneer One ein „multifunktionelles Hochtemperatur-Energiespeichersystem“ vor. Gemeint ist, dass Abwärme aus der Industrie und Strom aus erneuerbaren Energien in einem Wärmespeicherzwischengelagert werden. Diese Wärme mit Temperaturen von bis zu 1300 Grad kann dann später wieder genutzt werden. Martin Schichtel, CEO von Kraftblock:
Der Wärmespeicher ist im Prinzip ein Fön zuhause. Dieser Fön kann bis zu 1000 Grad heiß werden. Diese Wärme speichern wir im Wärmespeicher ein und liefern sie dann aus.
Vier Stunden Strom heizen den Speicher auf, der dann zu jeder Zeit die Wärme wieder abgeben kann. Die Wärme kann in der Industrie oder auch zur erneuten Stromproduktion genutzt werden.

Fazit
Ohne Energiespeicher kommt die Energiewende nicht aus. Doch bisher spielt Speichertechnologie in der politischen Debatte fast keine Rolle. Das muss sich dringend ändern. Wind und Sonne plus Speicher ergeben Grundlastfähigkeit. Ohne Speicher ist auf Wind und Sonne kein Verlass. Wer über Windräder und Solarpanel diskutiert, muss auch Speicher erwähnen. Die neu entstehende Speicherbranche hat so viel Aufmerksamkeit verdient wie Windmühlen und Sonnenfelder. Schenken wir ihr diese Aufmerksamkeit und auch die entsprechenden Investitionen. Nur so kann die Energiewende zum Erfolg werden.