Strom gibts nur bei drehenden Windrädern

7.10.2023, Willi Haentjes, NIUS Chefredaktion

ich habe gerade meinen Vater angerufen und ihn gefragt, wie viele Windkrafträder er sieht, wenn er um unser Grundstück läuft. Die Antwort lautet: acht. Von denen haben sich während unseres Telefonats drei NICHT gedreht, eines nur sehr langsam. Fünf weitere könnte er aus dem 1. Stock sehen, wenn er denn wollte, aber nicht aus dem Garten, denn „da ist zum Glück die Hecke davor“. Insgesamt sind es also: 13 Windräder in Sichtweite.

Mein Elternhaus steht mitten im Feld zwischen zwei Dörfern in Nordrhein-Westfalen. Immer wenn in meiner Heimatgemeinde ein neues Windrad geplant wird, drehen die Menschen durch und wehren sich. Manchmal erfolgreich, manchmal nicht. Ich kenne keinen einzigen Windrad-Bau, wo alle direkten Dorfbewohner sagen: „Super Sache, das haben wir dringend gebraucht in unserem Ort.“ Die Argumente sind immer dieselben: „Zu laut und verschandeln die Landschaft“. Und vor allem: „Die, die das entscheiden, müssen ja nicht hier leben.“

Und das ist keine gefühlte Wahrheit, sondern eine durch Umfragen belegte: 70 Prozent der Menschen, in deren Umfeld eine Windenergieanlage (so das Fachwort) steht, wurden „überhaupt nicht“ in den Prozess mit einbezogen, zeigt eine Forsa-Umfrage. Es ist einer der größten Konflikte unserer Gesellschaft: Über erneuerbare Energien entscheiden die Menschen in der Stadt, gebaut werden die Windmühlen aber auf dem Land. Bundeskanzler Olaf Scholz forderte heute bei der Haushalts-Debatte im Bundestag, dass „vier bis fünf Windräder pro Tag“ gebaut werden müssten. Er wird in Potsdam an keinem einzigen vorbei joggen.

Im August hat Deutschland mehr Strom aus dem Ausland importiert als sämtliche 28.000 Windmühlen im Land zusammen produziert haben.

Warum schreibe ich hier so viel über Windräder? Weil meine Kollegin Janina Lionello durch Deutschland gereist ist und eine spektakuläre Dokumentation gedreht hat. Ihr Film „Im Schatten der Windräder“ zeigt die Welt der Menschen, die am Ende der politischen Prozesse mit dem Ergebnis der Energiewende leben müssen. Die sich fragen, wer auf die Idee kommt, einen Wald abzuholzen, um vermeintlich umweltschonende Windmühlen zu bauen. Die nicht mehr schlafen können, weil sie in jeder Nacht das Gefühl haben, in der Einflugschneise eines Flughafens zu leben – nur ohne Nachtflugverbot. Die sich ärgern, dass der Wert ihres Grundstückes verfällt, also ihre Altersvorsorge bröckelt. Wenn Sie heute Zeit haben, schauen Sie sich diesen Film an. Wenn Sie keine Zeit haben: Machen Sie es morgen. Sie werden es nicht bereuen. Es ist das Sittengemälde eines Konfliktes, der uns noch lange begleiten wird: In der Stadt wird entschieden. Von Menschen, die keine Ahnung vom Leben auf dem Land haben. Und die Menschen auf dem Land haben immer weniger Verständnis dafür, warum die Menschen in der Stadt derart massiv in ihr Leben reinpfuschen. Hier zum Film.